Der Vater des Vereinssports feierte seinen 240. Geburtstag.
Es ist kalendarisch verbürgt – am 11.8.2018 feierte der oft so genannte „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn seinen 240. Geburtstag. Berechenbar ist er ein Mann des 18. Jahrhunderts, lebte zeitlebens in einem in viele Kleinstaaten zerstückelten Deutschland. Er wirkte engagiert wie mitunter polternd an der Einheit Deutschlands auch in der Nationalversammlung mit, begründete das volkstümliche Turnen und schuf mit der neuartigen Organisationsform „Verein“ die DNA unserer Demokratie. Zu recht zählt er zu den meist geehrten Deutschen: Schulen wie Vereine, Straßen und Plätze, Denkmäler und Museen bestätigen das, Bücher und Dissertationen über ihn zählen die seines Alters.
Ist sein runder Geburtstag erschöpfender Anlass, ihn für einige Stunden aus Archiven und von Sockeln zu holen, seiner Wirkungen zu gedenken und sie dann für die nächsten 10 Jahre wieder zu inventarisieren? Jahn bietet mehr, ist weiter quicklebendig präsent und liefert Orientierungen für das 21. Jahrhundert. Er bedurfte keiner pathetischen Feier. An Jahns Geburtstag erinnerte die Deutsche Olympische Akademie (DOA) bei einem stimmungsvollen Treffen in Berlin der Olympischen Medaillengewinner von 1968 an die bewegten Zeiten der antiautoritären 68er. Zwischen zum Teil militanten Auseinandersetzungen auf den Berliner Straßen fand damals das Deutsche Turnfest statt. Vor 15 000 Turnfreunden in der Berliner Hasenheide zeichnete der spätere DTB-Präsident Dieckert ein lebendiges Bild vom jungen „Revolutionär Jahn“ und radikalen Demokraten, den manches mit den Gerechtigkeit und Gleichberechtigung fordernden Studierenden verband. Eine Brücke war geschlagen.
Gleichzeitig beantwortete der Berliner Senat eine kleine Anfrage zum Vorstoß des Pankower Bürgermeisters, das dortige Jahn-Stadion umzubenennen. Das sei dem Ausbau zu einem internationalen Zentrum für inklusiven Sport nicht angemessen. Unbesehen von aller seriösen Forschung und sprachlichen Präzision wurde Jahn von ihm als Antisemit und Nationalist eingestuft. Der Berliner Senat antwortete mit Unterstützung des DTB eindeutig: Die Anwürfe gegen den Jubilar seien so wenig neu wie richtig, vor allem liege Jahns Verdienst bis heute in der Gründung und Entwicklung der demokratischen Vereinssportbewegung – mit 90 000 Vereinen die größte zivilgesellschaftliche Organisation hierzulande. Der Senat nahm damit die Argumentation von DOSB-Präsident Hörmann beim diesjährigen parlamentarischen Abend auf wie auch den Antrag des DOSB, das deutsche Sportvereinswesen als immaterielles Kulturerbe von der UNESCO anzuerkennen – dort wird Jahn als dessen Initiator berufen. Auch am theologischen Zuspruch hat es für den Pfarrerssohn Jahn in diesen Tagen nicht gefehlt. Der Präsident des international tätigen evangelischen Gustav-Adolf-Werkes betonte beim diesjährigen Jahn-Symposium in Lanz – Geburtsort von Jahn – dessen starken Einfluss bei der Konstituierung seines Vereins vor über 150 Jahren.
Da passte es, dass die Geburtstagswoche von Jahn mit der Vorstellung des Neubaus „Jahn-Museum“ bei der Mitgliederversammlung der Jahn-Gesellschaft in Freyburg schloss. Das wuchtige Wohnhaus, in dem Jahn während seiner Verbannung aus Berlin und bis zu seinem Tod 1852 lebte, wird um zwei einladende, transparente Gebäudeteile ergänzt. Aus dem musealen Gedenkort wird so eine Begegnungs- und Diskussionsstätte, an der mit der Person Jahn die keineswegs immer schmerzfreie Entstehung von Turnen und Sport erlernt wie auch um die Zukunft des Vereinssports gerungen werden kann. Die spannungsvolle Architektur verbindet Tradition und Zukunft. Der organisierte Sport in Deutschland benötigt mehr denn je solche Stätten, zumal sie mitten in Deutschland liegt.
Von: Prof. Hans-Jürgen Schulke, DOSB-Presse Nr. 34, 21. August 2018