„Turne bis zur Urne“*)
*) Diese Devise gibt Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer in einer Arzt-Kolumne für die TV-Zeitschrift PRISMA, Nr. 39/2012, S. 62, aus. Er bezeichnet dabei Bewegungsarmut als „Sünde, für die unser Kreuz büßen muss“.
Dazu soll eine Betrachtung angestellt werden über den Sport als kommunale Aufgabe mit besonderem Bezug auf das Turnen und die Situation des Landesrechts von Rheinland-Pfalz.
1. Verfassungsgrundlagen und Allzuständigkeit der Gemeinde
Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung umfasst das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung regeln zu können (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 49 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 LV). Aus diesem Recht folgen die Aufgabengarantie und die Befugnis, die Aufgaben eigenverantwortlich zu regeln (Burkhard Höhlein/Wolfgang Neutz in Kommunalbrevier Rheinland-Pfalz Auflage 2009, S. 443).
Die Gemeinde ist Grundlage und zugleich Glied des demokratischen Staates. Sie ist berufen, das Wohl ihrer Einwohner zu fördern (§ 1 Abs. 1 GemO RP). Sie können in ihrem Gebiet jede öffentliche Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft übernehmen, soweit diese nicht durch Gesetz ausdrücklich anderen Stellen im dringenden öffentlichen Interesse ausschließlich zugewiesen wird - freie Selbstverwaltungsaufgaben – (§ 2 Abs. 1 GemO RP).
Nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 GemO RP nimmt die Verbandsgemeinde anstelle der Ortsgemeinden die Selbstverwaltungsaufgabe „Bau und Unterhaltung von zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen wahr“. Winfried Manns/Gerd Thielmann in Kommunalbrevier RP, 2009, S. 753, sehen die Förderung des Sports als wesentlichen Bestandteil der Kulturpolitik. Mit den inhaltlichen Aufgaben des Sports setzt man sich hier nicht auseinander, vielmehr wird auf das Sportförderungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz verwiesen (siehe unten 5.2).
2. Gesellschaftliche Rolle des Sports
„Der Sport ist das Erbe aller Menschen und nichts kann sein Fehlen ersetzen“ (Pierre de Coubertin (1863 – 1937), französischer Pädagoge und Historiker, Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit).
Im „Weissbuch Sport“ der Kommission der europäischen Gemeinschaften (Brüssel, 11.7.2007 – KOM(2007)391 final) wird aus Gründen der Klarheit und Einfachheit die Definition des Europarats für Sport verwendet: „jegliche Form körperlicher Ertüchtigung, die innerhalb oder außerhalb von Vereinen betrieben wird, um die körperliche und seelische Verfassung zu verbessern, zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln oder ergebnisorientierte Wettkämpfe auf allen Ebenen zu bestreiten.“
In § 3 Abs. 1 der Satzung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) i.d.F. vom 03.12.2011 sieht der DOSB in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsorganisationen seine Aufgaben u.a. wie folgt:
- Förderung einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung im Sport.
- Förderung des Kinder- und Jugendsports, insbesondere die Gewinnung junger Menschen für den Sport.
- Förderung von Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt im Sport
- Förderung von Sport, Spiel und Bewegung im Elementarbereich sowie in Schule und Hochschule.
- Förderung von Bildung im und durch Sport.
3. Die Sportorganisation in der Bundesrepublik Deutschland
3.1 Kurzüberblick (mit Schwerpunkt Turnen)
DOSB | ||
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Bundesrepublik Deutschland |
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35 Olympische Spitzenverbände u.a. |
Deutscher Turner-Bund |
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16 Landessportbünde |
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22 Landesturnverbände |
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Rheinland-Pfalz |
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LSB Rheinland-Pfalz |
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Arbeitsgemeinschaft der Turnverbände Rheinland-Pfalz (TV-RLP) |
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3 Sportbünde |
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3 Turnverbände |
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Sportbund Rheinland |
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Turnverband Mittelrhein |
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Sportkreise (Stadt / Kreis) |
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8 Turngaue |
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Sportvereine |
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Turnvereine, Turnabteilungen |
3.2 Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB)
Der DOSB, die regierungsunabhängige Dachorganisation des deutschen Sports wurde am 20.05.2006 gegründet durch Zusammenschluss des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland. Der DOSB steht für Leistung, Gesundheit, Lebensfreude und Wertevermittlung. Schirmherr ist der Bundespräsident (s. http://www.dosb.de, am 3.10.2012).
Der DOSB ist ein eingetragener Verein und die größte Personenvereinigung Deutschlands. 27,6 Mio. Mitgliedschaften sind in über 91.000 Turn- und Sportvereinen organisiert. Hier engagieren sich 8,85 Mio Freiwillige (1,85 Mio in ehrenamtlichen Positionen, 6 Mio. helfen bei Veranstaltungen, im Spiel- und Wettkampfbetrieb.
Zu den Mitgliedern zählen:
16 Landessportbünde, 35 Olympische Spitzenverbände, 27 Nichtolympische Spitzenverbände, 20 Sportverbände mit besonderen Aufgaben, 2 IOC-Mitglieder und 15 Persönliche Mitglieder.
3.2.1 Landessportbund Rheinland-Pfalz (LSB)
Der LSB ist die Dachorganisation des Sports in Rheinland-Pfalz. Mehr als 6.300 Vereine und über 1,5 Mio Mitglieder machen ihn zur größten Personenvereinigung des Landes. Damit ist jeder dritte Bürger des Landes Mitglied in einem Sportverein. Der LSB gliedert sich in 3 Sportbünde und insgesamt 36 Sportkreise (24 Landkreise und 12 kreisfreie Städte). Während er für die überfachlichen Aufgaben zuständig ist, werden die sportartspezifischen fachlichen Aufgaben von den Fachverbänden wahrgenommen. Für das Turnen sind dies die Turnverbände. Aus der historischen Entwicklung des Landes Rheinland-Pfalz hat sich ergeben, dass sich jeweils 3 Sportorganisationen entwickelt haben (Rheinland bzw. Mittelrhein, Rheinhessen und Pfalz) – vergl. eine ähnliche Entwicklung in den Ländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit jeweils 2 Verbänden.
3.2.2 Sportbund Rheinland (SBR)
Der SBR ist der Dachverband des Sports in den nördlichen Regionen Koblenz und Trier einschl. die rheinland-pfälzischen Gebiete von Taunus und Westerwald. Mitglieder sind 3.262 Vereine mit über 650.000 Mitgliedern sowie über 50 Fachverbände. Der zweitgrößte Fachverband (nach den Fußballern) ist der Turnverband Mittelrhein. Die Sportbünde sind auch hier für die überfachlichen Aufgaben (Organisation, Recht, Steuern usw.) und die Fachverbände für die fachlichen Sportaufgaben zuständig (§ 3 der Satzung des SBR i.d.F. vom 19.06.2010).
Der SBR hat Untergliederungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten, um vereinsnah agieren zu können.
3.2.3 Vereine
Die unterste Ebene der Sportorganisation bilden die Vereine. In Deutschland sind es 91.000 Vereine mit 27,6 Mio. Mitgliedern, die im DOSB und seinen Mitgliedsverbänden organisiert sind.
„Sportvereine stellen ein besonders gemeinwohlorientiertes Sportangebot bereit, was in ihren Vereinszielen zum Ausdruck kommt. So ist es ihnen unter einer Vielzahl an Vereinszielen besonders wichtig, Werte wie z.B. Fair Play und Toleranz zu vermitteln, eine preiswerte Möglichkeit des Sporttreibens zu bieten und sich für eine gleichberechtigte Partizipation von Mädchen/Frauen und Jungen/Männern zu engagieren. Überdies legen die Sportvereine viel Wert auf Gemeinschaft sowie Geselligkeit und möchten Menschen mit Migrationshintergrund Sporttreiben ermöglichen“ (Sportentwicklungsbericht 2009/2010 „Sportvereine in Deutschland“, S. 1, Köln Mai 2010).
Einen passenden Beitrag dazu schreibt Joachim Ringelnatz in seinem Gedicht „Ruf zum Sport“:
„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine, kürzt die öde Zeit, und er schützt uns durch Vereine vor der Einsamkeit“.
3.3 Deutscher Turner-Bund (DTB)
Der DTB gehört zu den Mitgliedsorganisationen des DOSB und betreut die folgenden Sportarten (§ 1.2 und 1.3 der Satzung des DTB vom 05.02.2011, i.K. seit 01.01.2012):
Gerätturnen, Gymnastik und Rhythmische Sportgymnastik, Trampolinturnen, Aerobic, Orientierungslauf, Rhönradturnen, Rope Skipping, Faustball, Prellball, Korbball, Ringtennis, Korfball, Indiaca, Schlagball, Schleuderballspiel, Völkerball.
Die Betreuung der Sportarten erfolgt ganzheitlich in ihren jeweiligen Ausprägungen als Spitzen-, Leistungs- und Breitensport sowie als Freizeit- und Gesundheitssport.
Darüber hinaus betreut der DTB die besonderen turnerischen Fachgebiete Wandern,
Musik und Spielmannswesen sowie Mehrkämpfe und Gruppenwettkämpfe.
Der DTB betreut das Vielseitige Turnen und die Gymnastik, insbesondere in den fitness- und gesundheitsorientierten Ausprägungen sowie in den darstellerischen Möglichkeiten entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen der verschiedenen Ziel- und Altersgruppen.
Der DTB gliedert sich in 22 Landesturnverbände, 230 Regionale Turngaue und 20.500 Turnvereine und Turnabteilungen.
3.3.1 Arbeitsgemeinschaft der Turnverbände Rheinland-Pfalz (TV-RLP)
Ziel der TV-RLP sind die in den drei Fachverbänden vertretenen Sportarten auf Landesebene zu fördern und auszubauen sowie den gesellschaftlichen Stellenwert des Deutschen Turnens in Rheinland-Pfalz zu erhalten und zu festigen (Nr. 2.1 der Vereinbarung der Arbeitsgemeinschaft der drei Turnverbände vom 01. April 2006).
Aufgaben der TV-RLP sind
- Die Wahrnehmung ihrer gemeinsamen Interessen gegenüber der Landesregierung, den politischen Parteien, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden auf Landesebene, dem Deutschen Sportbund und dem Deutschen Turnerbund, sofern es sich nicht um Einzelprojekte eines der drei Turnverbände handelt. Die Vertretung gilt nicht für Deutsche Turntage und Mitgliederversammlungen des Landessportbundes. Dies ist Sache des einzelnen Turnverbandes.
- Die Neueinführung und Weiterentwicklung von Sportarten, Schwerpunktaktionen wie Gesundheitssport, 50+ und Gütesiegeln einschließlich der Erarbeitung von Qualitätsmerkmalen und Richtlinien für damit verbundene notwendige Aus- und Fortbildungsmaßnahmen.
- Die Stärkung und Koordination des Schulsportes auf Rheinland-Pfalz-Ebene durch Zusammenarbeit mit Ministerien, Schulbehörden, Schulen und Lehrkörpern.
- Die Durchführung aller Kooperationsverhandlungen mit Krankenkassen und Verbänden auf Rheinland-Pfalz-Ebene.
- Die Organisation und Durchführung aller Rheinland-Pfalz-Meisterschaften, gemeinsamer Kongresse, Foren und Großveranstaltungen einschl. der Rheinland-Pfalz-Turnfeste und Gymnaestraden.
3.3.2 Turnverband Mittelrhein (TVM)
Der TVM bekennt sich zu den in der Satzung des DTB aufgeführten Ziele (§ 2.1 der Satzung des TVM i.d.v. 21.04.2012)
Der TVM ist mit über 800 Vereinen, in denen sich annähernd 140.000 Turnerinnen und Turner organisieren, größter rheinland-pfälzischer Sportfachverband für Turnen, Gymnastik, Freizeit- und Gesundheitssport.
Zu den Hauptaufgaben des TVM gehören: Aus- und Fortbildung von Übungsleiter/innen und Trainer/innen, Planung und Organisation eines umfangreichen Veranstaltungs- und Wettkampfprogramms in seinen Sportarten und Fachgebieten, Organisation der Landesturnfeste und Landesgymnaestraden, Förderung des Leistungsstrebens von Spitzensportler/innen.
3.3.3 Turngaue
Bestrebungen für die Gründung von Turngauen gab es bereits Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich Turnvereine, Turnabteilungen oder Turngemeinden als Interessengemeinschaften zusammenschlossen.
Der Turnverband Mittelrhein ist zur Durchführung seiner Aufgaben in die Turngaue Mosel-Saar, Mosel, Nahetal, Hunsrück, Rhein-Mosel, Rhein-Ahr-Nette, Rhein-Westerwald und
Rhein-Lahn eingeteilt. Die Turngaue sind selbständige Untergliederungen (Zweigvereine) des Turnverbandes Mittelrhein. Sie geben sich eine Satzung in Anlehnung an die Turngau-Mustersatzung des Turnverbandes Mittelrhein (§ 3 Nr. 1 und 2 Satzung TVM).
Aufgaben des Turngaus (am Beispiel des TG Rhein-Mosel) sind im wesentlichen:
- die Pflege und Förderung der Leibesübungen nach den Grundsätzen des Amateursports.
- die Förderung von Sportgeist, Kameradschaft und Geselligkeit.
- die Beratung der Mitgliedsvereine in allen fachlichen Angelegenheiten.
- die fachliche Ausbildung von Übungsleitern.
- die Verleihung von Ehrennadeln, Ehrenurkunden und Ehrenmitgliedschaft
(§ 3 Abs. 1 Satzung des Turngau Rhein-Mosel i.d.F. vom 12.03.2000)
3.3.4 Vereine
Siehe oben 3.2.3.
Die ersten Turnvereine (nach der Errichtung des ersten Turnplatzes in der Berliner Hasenheide 1811 und eines von dem Pädagogen Josef Görres in Koblenz 1814 in der Nähe des Schlosses errichteten Turnplatzes zum Turnunterricht) wurden als „Hamburger Turnerschaft von 1816“ und als „Mainzer Turnverein 1817“ gegründet.
In einer heutigen Vereinssatzung (Satzung der TG Boppard vom 10.03.1979) ist der Vereinszweck wie folgt beschrieben:
„Zweck des Vereins ist die körperliche und geistige Erziehung seiner Mitglieder.
Durch Turnen, Spiel und Sport aller Art sowie durch gesellige Veranstaltungen
strebt er körperliche Ertüchtigung und weckt und fordert eine der Gemeinschaft
verantwortliche sittliche Haltung. Bei seiner Tätigkeit lehnt der Verein Bestrebungen
und Bindungen Klassen trennender Art ab, konfessionell ist er neutral.“
4. Aufgabenfelder und Bedeutung des Sports
DOSB – Deutscher Städtetag – Deutscher Städte- und Gemeindebund haben im November 2008 unter dem Titel „Starker Sport – starke Städte und Gemeinden“ eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Darin heißt es im Vorspann: „Städte und Gemeinden und der organisierte Sport sind Partner bei der Entwicklung des Sports in Deutschland. Sport – Breitensport wie auch der Leistungssport – findet in den Kommunen statt. Entsprechend vollzieht sich die Zusammenarbeit beider Partner vor allem auf der örtlichen Ebene. Sport ist ein unverzichtbares Element unserer Gesellschaft. Ihm kommt eine zentrale Bedeutung für das Gemeinwohl in Deutschland und – angesichts eines beschleunigten sozialen Wandels – eine zentrale gesellschaftliche Integrationsfunktion zu“.
Als Zentrale Handlungsfelder und –empfehlungen werden herausgestellt:
- Sport-, Sportstätten und Stadtentwicklung
- Sport und Ehrenamt
- Sport und Bildung
- Wettkampf- und Leistungssport
- Sport und Gleichstellung
- Sport und Gesundheit
- Sport und Integration
- Sport und Umwelt.
Ein näheres Eingehen auf diese Themen ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich.
5. Sportpolitik und Sportförderung durch Bund und Länder
5.1 Bundesrepublik Deutschland
„Die Bundesregierung sieht die Förderung des Sports als eines ihrer wichtigen Ziele. Richtschnur für ihre Sportpolitik ist die von der Verfassung vorgegebene Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Verantwortung für die Förderung des Breitensports tragen grundsätzlich die Länder, dem Bund obliegt es, den Spitzensport zu fördern. Aus gesamtstaatlicher Verantwortung für den Sport sieht sich die Bundesregierung darüber hinaus aber ebenso in der Pflicht, die Rahmenbedingungen für eine angemessene Entwicklung des Breitensports weiter zu optimieren. Die Notwendigkeit hierzu folgt sowohl aus der grundlegenden Bedeutung des Breitensports als Quelle des Spitzensports als auch in Anbetracht der umfassenden Verdienste, die der Breitensport für die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts aufweisen kann“ (http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/PolitikGesellschaft/Sport/Sportpolitik/sportpolitik_node.html;jsessionid=496F3225D64EC78A6A26F7A60CF6ECF6.2_cid287)
5.2 Land Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz werden die Aufgaben im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur (ISIM) wahrgenommen. Die Landesregierung hat also dem Sport schon in der Bezeichnung des Ministerium besondere Bedeutung beigemessen. Dazu wird auf der Internetseite des Ministeriums (http://www.isim.rlp.de/sport/warum-sportpolitik/) ausgeführt: „Sport – wird mancher denken – ist doch vor allem Selbstorganisation, die Sportvereine sind die größte und erfolgreichste Bürgerinitiative unserer Zeit. Warum also Sportpolitik, warum Sportverwaltung, warum ein Sportminister? Weil der Sport es verdient, gezielt gefördert zu werden!
Kinder z. B. erschließen sich ihre Welt durch Bewegung, Spiel und Sport. Dabei entwickeln sie Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für ihre gesamte Entwicklung als Persönlichkeit unverzichtbar sind. Damit unsere Kinder auch in Zukunft alle Chancen dafür haben, unternimmt die Landesregierung große Anstrengungen“.
Rheinland-Pfalz hat als wohl erstes Bundesland ein besonderes Sportförderungsgesetz beschlossen (Landesgesetz über die öffentliche Förderung von Sport und Spiel in Rheinland-Pfalz vom 09.12.1974 (GVBl. S. 597). Wichtigste – und heute aufgrund der Finanzlage vieler Kommunen nicht mehr unumstrittene Regelung – ist die nach § 15 Abs. 2 des Gesetzes vorgesehene kostenfreie Benutzung von öffentlichen Sportstätten. Dazu heißt es in einem RdSchr des MfSGuSp. Vom 28.01.1977 – 681 -001/1-2: „Um allen Bürgern gleichwertige Möglichkeiten zum Sport zu bieten, soll der kostenfreie Zugang zu den öffentlichen Sport-, Spiel – und Freizeitanlagen einheitlich im ganzen Land geregelt werden.
Zur Situation des Sports und der Sportentwicklung in Rheinland-Pfalz gibt eine umfangreiche Antwort des Ministeriums des Innern und für Sport (so hieß es bis zur Regierungsbildung im Frühjahr 2011) auf eine Große Anfrage – Drucksache 15/1214 vom 26.07.2007 – Auskunft.
6. Zur Geschichte des Turnens
Im Vorwort zur Publikation „200 Jahre Turnbewegung – 200 Jahre soziale Verantwortung“, Hrsg. DTB, Frankfurt, 2011, ISBN 976-3-929371-21-5, geht Rainer Brechtken, Präsident Deutscher Turnerbund, auf die Entstehung des Turnens ein:
„Im Juni 1811 errichtete Friedrich-Ludwig Jahn in der Berliner Hasenheide einen ersten öffentlichen Turnplatz mit verschiedenen Turngeräten und Klettergerüsten zur körperlichen Entwicklung der männlichen Jugend. Daher gilt das Jahr 1811 mit der Errichtung des ersten Turnplatzes als Geburtsstunde der Turnbewegung. Damit wurde der Grundstein für die zentralen Elemente unseres bis heute in Deutschland bestehenden Sportsystems gelegt: freiwilliges, selbstorganisiertes und selbstfinanziertes Sporttreiben ohne soziale Schranken. Was 1811 als gesellschaftspolitisch revolutionär galt, ist heute selbstverständlicher Bestandteil bürgerschaftlichen Engagements“.
In der allgemeinen Wahrnehmung weniger bekannt ist allerdings, dass Johann Christoph GutsMuths, geb. am 09.08.1759, als der eigentliche Wegbereiter in der neuzeitlichen Körperkultur/Leibeserziehung gesehen wird. Als Jahn am 11.08.1778 geboren wird, beendete GutsMuths seine Schulausbildung. GutsMuths war lange Jahre als Lehrer in Schnepfenthal/Thüringen tätig und unterrichtete zunächst Geographie, Geschichte und Französisch und schließlich Gymnastik. Er entwickelte die erste systematische, pädagogisch begründete Leibeserziehung, die er in Anlehnung an die griechische Antike Gymnastik nannte. Gemeinsam legten dann später GutsMuths und Jahn das Fundament für das Turnen, auf dem wir heute stehen.
„Die Übungen, die Jahn mit seinen Anhängern betrieb, bezeichnet er als „Turnen“. Bei diesem Wort handelt es sich um ein Kunstwort, das Jahn aus seiner Kenntnis sprachgeschichtlicher Zusammenhänge und damals bestehender Dialekte prägte. Seiner Ansicht nach war ein „Turner“ in den alten nordischen Sprachen ein Krieger, außerdem erinnerte ihn seine Wortschöpfung „Turnen“ an das mittelalterliche Turnier…Auf längere Sicht war die sich ständig weiterentwickelnde Fachsprache eine unverzichtbare Voraussetzung für den (später einsetzenden) weltweiten Siegeszug der ursprünglich „preußisch-deutschen Leibesübung“ Turnen…(Josef Ulfkotte, in „Die `Erfindung` des Turnens“, Jahn-Report (Sonderausgabe), Januar 2011, S. 5).
Als Verband für Turnen und Gymnastik vereint der DTB neben dem Gerätturnen eine breite Palette von Sportarten, die gemäß des turnerischen Grundprinzips der Vielseitigkeit sowohl als Wettkamp- und Breitensport als auch als Fitness und Gesundheitssport für Frauen und Männer jeden Alters angeboten werden. Zudem gehört das Kinderturnen zu einem der wichtigsten Kernfelder der heutigen Turnbewegung.
Aus diesen vielfältigen Angeboten ergibt sich die soziale Verantwortung der Turnbewegung:
- Die Turnbewegung sorgt für die gesunde körperliche und geistige Entwicklung unserer Kinder.
- Die Turnbewegung übernimmt Verantwortung in der Gesundheitsförderung durch Bewegung. Turnen und Gymnastik bilden die Grundlage für vielfältige, moderne Bewegungsangebot im Fitness- und Gesundheitssport.
- Die Turnbewegung und ihre Turnvereine waren eine tragende Säule der Freiheitsbewegung von 1848 und in demokratischen Entwicklungen in Deutschland.
- Solidarität und soziale Gemeinschaft sind prägende Elemente der Turnbewebung. Dies kommt insbesondere bei den Turnfesten zum Ausdruck, die seit über 150 Jahren als herausragende und einzigartige Veranstaltung der Turnbewegung gelten.
7. Unverzichtbar: Bewegung und Sport
Der 8. Stuttgarter Sportkongress des Schwäbischen Turnerbundes und des Deutschen Turner-Bundes im Oktober 2011 stand unter dem Motto „Lebenslanges Sporttreiben als strategische Herausforderung für den Turn- und Sportverein“. Ausgangspunkt der Grundsatzreferate und der Diskussionen in den Workshops war der Begriff der „Lebenstreppe“
„Das Bild der Lebenstreppe geht davon aus, dass sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens Stufe für Stufe höher entwickelt und das jeder Mensch zu jeder Zeit auf seiner jeweiligen Entwicklungsstufe trainierbar ist… Die Lebenstreppe verzeichnet die Stufen vom Baby-Alter zur Kindheit, in die Schulzeit, zum Berufsleben, zur Familie, zu 50plus bis zur Stufe der Hochaltrigen. Für die Entwicklung des Menschen auf der Lebenstreppe ist die Bewegung ein unverzichtbarer Bestandteil“ (Rainer Brechtken in Deutsches Turnen, November 2011, S. 4). Dietrich Grönemeyer hat es – siehe Titel dieses Beitrags – einfach so genannt: „Turne bis zur Urne“.
Hier kommen dann auch die Turn- und Sportvereine ins Spiel: Sie haben die fachliche Kompetenz für Bewegungsangebote jeglicher Art und Neigung, vom Wettkampf- und Spitzensport bis zum Breiten-, Freizeit und Gesundheitssport in einer Fülle von Sportarten und Disziplinen. Aber Turnen ist mehr aus sportliche Betätigung: Die Turn- und Sportvereine bieten Sport und Bewegung mit dem Schwerpunkt sozialer Gemeinschaft. Sie bieten damit beste Voraussetzungen, dass die Menschen ihr Leben lang dabei bleiben.
Prof. Dr. phil Renate Zimmer, Universität Osnabrück, Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft, vertrat beim Kinderturn-Kongress in Stuttgart am 16.03.2012 die Ansicht, dass man durchaus sagen könne, dass „Bewegung schlau macht“. Sie fordert dabei gleichzeitig: „Die Zahnprophylaxe hat sich mittlerweile durchgesetzt, ich fordere jetzt: Legt ein Springseil neben die Zahnbürste“.
So schließt sich dann auch der Kreis zu den Aufgaben der Gemeinden, die nach § 1 Abs. 2 S. 1 GemO RP „berufen sind, das Wohl ihrer Einwohner zu fördern“.
Abkürzungen: (die meisten sind im Text erklärt)
DOSB = Deutscher Olympischer Sportbund
DTB = Deutscher Turner-Bund
GemO = Gemeindeordnung
GG = Grundgesetz
LV = Landesverfassung
RP = Rheinland-Pfalz
Fundstellen: sind im Fließtext verarbeitet, könnten aber umgearbeitet werden
von: Wolfgang Gipp, Vizepräsident Gesellschaftspolitik
Nachdruck aus:
Holger Weidemann – Thomas Bantle (Hrsg.)
Recht – Verwaltung – Veränderung
Festschrift für Werner Finke zum 75. Geburtstag
2013, Maximilian-Verlag, Hamburg